Handlung
Die Handlung der Penelope basiert auf dem antiken Stoff der Odyssee von Homer und stützt sich vor allem auf die beiden letzten Gesänge (23 und 24), die die Heimkehr des Odysseus und das Wiedersehen mit seiner Frau Penelope behandeln. Nach über 20 Jahren kehrt Odysseus von seinen Irrfahrten zurück nach Ithaka. Er sorgt sich um seine Frau Penelope und verkleidet sich deshalb, um ihre Treue auf die Probe zu stellen und gleichzeitig die zahlreichen Liebhaber um Penelope abzuwehren.
Die Heimkehr des Odysseus war wiederholt Stoff für Opernlibretti, beginnend mit Giacomo Badoaros Il ritorno di Ulisse in Patria, vertont 1642 von Claudio Monteverdi. Pietro Pariati, der Librettist von Contis Penelope, griff dabei auf zwei Texte zurück, die bereits den Namen der weiblichen Titelfigur tragen: Zum einen das Opernlibretto Penelope la casta von Nicolò Minato (Wien 1670, Vertonung: Antonio Draghi), das wiederum für Matteo Noris' Penelope la casta (Venedig 1685, Vertonungen: Carlo Pallavicino, Alessandro Scarlatti u.a.) Pate stand. 1707, noch zu seiner Mailänder Zeit, schrieb Pariati ein Sprechtheaterstück über die Penelope-Handlung, aus der er viele Elemente und die Rollen für das spätere Opernlibretto übernahm. Alle Texte bearbeiten den antiken Stoff als Tragikomödie, sie zeichnen sich also durch die Einfügung komischer Figuren und komische Verwirrungen stiftende Verkleidungsszenen bzw. Rollenwechsel aus.
Modern gesprochen geht es bei der Handlung um eine extreme Form einer Fernbeziehung, um Treue, Vertrauen, Misstrauen, Machtgier und Liebe: Kaum hat Ulisse nach mehr als 20 Jahren wieder einen Fuß auf den Boden seiner Heimat gesetzt, zweifelt er an der Treue seiner Frau. Um sie auf die Probe zu stellen, tauscht er die Rolle mit seinem Diener Tersite, der als "falscher Prinz" Antifate Penelope verführen soll, damit Ulisse seine Frau auf frischer Tat ertappen kann. Dass dieser Plan nicht ganz aufgeht und unvorhergesehene Wendungen nimmt, ist durch das Genre der Tragikomödie schon vorprogrammiert. Ulisse ist besonders eifersüchtig auf den jungen, hübschen Prinzen Ormondo, der Penelope besonders nahe zu stehen scheint – nicht ahnend, dass es sich um seinen eigenen Sohn Telemaco handelt, der als künftiger Thronerbe zu seinem Schutz ebenfalls verkleidet ist. Dieser ist seit langer Zeit verlobt mit Prinzessin Argene, der er im Verlauf der Handlung zum ersten Mal begegnen wird. Weitere Anwärter auf den Thron sind der sanftmütige Eurimaco sowie der testosterongesteuerte, machtbesessene Medonte. Penelope und ihre Dienerin Dorilla verkörpern die schlauen Frauen, die sich listig nicht gleich anmerken lassen, dass sie die vermeintlich so wohlüberlegten Pläne der Männer durchschauen.
Aufgrund der vielen Verkleidungen und der damit einhergehenden, mehr oder weniger gelingenden Rollenwechsel über die sozialen Hierarchien hinaus sowie dank der komischen Dienerfiguren Dorilla und Tersite lebt die Handlung neben den großen emotionalen Momenten von Verwechslungen, Verwirrungen und lustigen Szenen.
Es bleibt also spannend, wie Pariati und Conti den Penelope-Stoff interpretieren: Verhält sich der große Entdecker und Abenteurer Ulisse zurück im Alltag auch wie ein Held und vorbildlicher Herrscher? Ist sein Misstrauen gerechtfertigt? Wird Tersite als falscher Prinz Erfolg bei Penelope haben? Erhalten Eurimaco und Medonte auch eine Chance? Wie reagieren Prinz Ormondo (Telemaco) und Ulisse aufeinander? Wird Penelope Ulisses Spiel durchschauen? Finden Ulisse und Penelope wieder zueinander, können sie sich versöhnen? Wer singt das große Liebesduett der Oper? Lässt sich Tersite von Dorillas effektvollen, aber harmlosen Zaubereien beeindrucken und von seiner Mission ablenken?
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Für alle, die sich schon zuvor mit der Handlung vertraut machen möchten: Das italienische wie das deutsche Libretto enthalten Kurzzusammenfassungen der Handlung, wobei der Inhalt von Homers Odyssee vorausgesetzt wird. Eine kurze, aufzählende Zusammenfassung der zentralen Ereignisse und Konflikte der Handlung ruft die Geschichte sowie die Schauplätze ins Gedächtnis und macht mit den zu erwartenden Rollenwechseln vertraut. Die Zusammenfassung aus dem deutschen Libretto wurde in den Bericht über die Premiere vom 13.2.1724 im Wienerischen Diarium (16.2.1724) wörtlich übernommen, über die Ausführenden verliert die Berichterstattung jedoch – wie meistens – kein Wort.
Bericht vom 13.2.1724, in: Wienerisches Diarium Nr. 14, 16. Februar 1724, [S. 7].
Literatur
Livio Marcalatti, "Die keusche Penelope und der zornige Odysseus: Kursieren einer tragikomischen Opernhandlung zwischen Wien und Norditalien", in: Musicologica Brunensia 53 / 2018 / Supplementum. https://doi.org/10.5817/MB2018-S-7
Livio Marcalatti, "La tragicommedia per musica alla corte di Vienna nel primo Settecento. Un genere di importazione o una creazione della corte imperiale?", in: Römische Historische Mitteilungen, 65. _Band/2023, S. 115–133.
Claudia Michels, Karnevalsoper am Hofe Kaiser Karls VI. 1711–1740. Kunst zwischen Repräsentation und Amusement (Publikationen des Instituts für österreichische Musikdokumentation 41), Wien: Hollitzer 2019, S. 252–267.